Libanon
Die Europäer im Libanon
Im 19. Jahrhundert wollten die Europäer weiteren Einfluss auf den Nahen Osten nehmen. Auch zum Libanon wurden Kontakte geknüpft. Zwischen den Religionsgruppen brachen die Konflikte vor allem in der Mitte des 19. Jahrhunderts heftig aus. So kam es zum Eingreifen Frankreichs und weiterer Nationen, die jeweils unterschiedliche Religionsgruppen unterstützten und dabei ihre eigenen Machtinteressen vertraten. Der eigentlich politische Konflikt wurde somit zu einem religiösen.
Der Kleine Libanon
1861 entstand der "Kleine Libanon" unter dem Einfluss der Europäer. So wurde der Libanon zu einer selbstständigen Provinz innerhalb des Osmanischen Reiches. Er umfasste vor allem das Libanongebirge und Gebiete an der Küste. Hier siedelten vor allem Christen und weniger Schiiten, Sunniten oder Drusen.
Dieses Gebiet entwickelte sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges sehr positiv. Ausgeschlossen von der guten Entwicklung waren allerdings der Südlibanon und die Bekaa-Ebene, hier wohnten vor allem die Schiiten.
Frankreich setzte gegenüber dem damaligen Sultan des Osmanischen Reiches durch, dass in einem gemeinsamen Rat alle Religionen vertreten sein mussten und der Vorsitz des Rates in der Hand eines christlichen Verwalters liegen sollte. Nur einige Küstenstädte waren hier ausgenommen.
Völkerbundmandat Frankreichs
Während des Ersten Weltkrieges standen die Osmanen auf der Seite des Deutschen Reiches und gingen aus diesem Krieg mit als Verlierer hervor. In der Folge mussten sie auch Gebiete abtreten. Man trennte nun den Libanon von Syrien ab (Sykes Picot-Abkommen) und unterstellte ihn einer französischen Verwaltung.
Einen eigenständigen Libanon wussten vor allem die Franzosen zu verhindern. So erhielt Frankreich im Jahr 1920 das Völkerbundmandat über den Libanon, aber auch über Syrien und Teile der südlichen Türkei. Einige Jahre später trennte man den Libanon von Syrien endgültig ab, allerdings verwalteten die Franzosen weiter das Land. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs verschoben sich die Pläne, den Libanon schon früher in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Die Unabhängigkeit des Libanon
Die staatliche Unabhängigkeit erhielt der Libanon dann erst 1941. Um den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, die ja schon über Jahrhunderte, gar Jahrtausende, im Land lebten, Rechnung zu tragen, beinhaltete der Vertrag eine wichtige Vereinbarung: Der Staatspräsident sollte Maronit, also Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident schiitischen Glaubens. Briten und Franzosen verließen den Libanon allerdings erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Friedliches Zusammenleben der Religionen
Zunächst lebten die Religionsgemeinschaften weitgehend friedlich miteinander. So sprach man auch vom Libanon als der "Schweiz des Orients", weil das Land wirtschaftlich stabil blieb und der Libanon sich politisch weitgehend neutral verhielt. Allerdings fühlten sich die Bewohner stärker ihren unterschiedlichen Religionsgemeinschaften verbunden und weniger einem gemeinsamen libanesischen Staat.
Schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts weiteten sich die Probleme aus. Es kam zwar zu keinem Bürgerkrieg, aber das Militär übernahm die Macht in der Gestalt eines Generals, der Fuad Shebab hieß und von 1958 bis 1964 Staatspräsident des Libanon wurde.
1975 begann der Bürgerkrieg im Libanon
Doch die Konflikte weiteten sich weiter aus und bestanden nicht nur zwischen Christen und Muslimen. Die gegen Israel gerichtete PLO (schaue auch bei Politik und Geschichte Israel) hatte sich mittlerweile auch im Libanon verstärkt ausgebreitet und startete von dort aus Angriffe auf das angrenzende Israel. Umgekehrt griffen die Israelis die Stützpunkte der PLO, die im Süden des Libanon lagen, an.
So kam es zu einem Bündnis zwischen muslimischen Palästinensern und muslimischen Libanesen, das die Christen erschreckte, da sich das Gleichgewicht zwischen den beiden Religionsgemeinschaften verschob. Es kam zu einer Spaltung innerhalb der Gesellschaft, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht als Nation sah. In der Folge kam es 1975 zu einem Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Religionsgruppen. Der Staat Libanon konnte dem nichts entgegen setzen.
Stellvertreterkrieg im Libanon
Dieser Krieg betraf aber auch die Nachbarn des Libanon, die immer wieder in den Krieg eingriffen. Syrien kämpfte gegen die PLO, um zu verhindern, dass diese im Libanon die Macht übernehmen würde. Das hätte wieder Israel auf den Plan gerufen und einen Einmarsch der Israelis im Libanon mit sich gebracht, was wiederum für Syrien eine schlechtere Position zur Folge gehabt hätte. Doch nach weiteren Kämpfen besetzten die Israelis 1978 und 1982 den Süden des Libanon. 1982 eroberten sie Beirut.
So spricht man ab 1982 von einer Art Stellvertreterkrieg im Libanon, in dem sich verschiedene Interessensgruppen austobten. Viele Tote, Verletzte und Traumatisierte waren die Folge. Dazu kamen zerstörte Städte, eine kaputte Wirtschaft und verbrannte Natur. Die Konsequenzen dieses Krieges reichen bis in die Jetztzeit.
Erst 1989 kam es zum Taif-Abkommen, benannt nach dem Ort in Saudi-Arabien, an dem das Abkommen zu Stande kam. Es beendete den Bürgerkrieg. Von 1989 bis 1998 war Elias Hraoui libanesischer Präsident. Im Jahr 2000 zogen die Israelis dann ihre Truppen aus dem Libanon zurück. Dennoch streitet man sich weiter um bestimmte Gebiete. Gleichzeitig gab es Forderungen nach dem Rückzug der syrischen Armee, dies sollte allerdings noch eine Weile dauern.
Was ist die Zedernrevolution?
Seit dem Ersten Libanonkrieg waren viele syrische Soldaten im Libanon und kontrollierten das Land. Doch kam es im Februar 2005 zu einem Attentat auf den ehemaligen libanesischen Regierungschef Rafik al-Hariri, der immer wieder den Abzug der syrischen Truppen gefordert hatte und bei vielen Menschen sehr beliebt war. Die Libanesen verdächtigten die Syrer hier ihre Hand im Spiel gehabt zu haben. So begann man sich gegen die syrische Übermacht zu wehren. Die libanesische Regierung wurde zum Rücktritt gezwungen, weil sie eng mit Syrien und dem Chef der Regierung Baschar al-Assad zusammengearbeitet hat. Die Revolution, die nach dem Attentat ausbrach, nannte man auch "Zedernrevolution".
Neuere Entwicklungen im Libanon
Vom 31. Oktober 2016 bis 31. Oktober 2022 war Michel Aoun Präsident des Libanon.
Anfang August 2020 kam es im Libanon zu einer Katastrophe. Im Hafen von Beirut kam es zu einer schrecklichen Explosion mit mehr als 190 Toten und sehr vielen Vermissten und natürlich auch tausenden von Verletzten. Die Schäden betrafen fast die halbe Stadt. Mehr als 300 000 Menschen hatten ihre Wohnung verloren und waren obdachlos. Nach diesen schlimmen Explosionen folgten aus Trauer und Wut viele Proteste. Die Wut gegenjüber der Regierung und deren Versagen bestand schon vorher, wurde allerdings noch einmal angefacht. Man verlangte unter anderem eine neue Regierung, weil man der Meinung war, die Regierung hätte komplett versagt. So erklärte die libanesische Regierung ihren Rücktritt.
So sollte mittlerweile eine neue Regierung gebildet werden, was im Libanon nicht so einfach ist, denn Präsident des Landes ist immer ein Christ, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Auch die Regierungsposten werden nach diesem System vergeben. Die Regierungsbildung zieht sich und und seit November 2022 gibt es kein offizielles Staatsoberhaupt im Libanon.